An Englishman in New York oder: Ein Oldenburger im Exil
Disclaimer: Dieser Beitrag erscheint in veränderter Version auch drüben beim Oldenburger Lokalteil, und auch eigentlich mehr oder weniger im Auftrag dessen.
Hallo. Ich gehöre ja zu den Menschen, denen es kalt den Rücken runterläuft, wenn irgendwo im Radio, im Musikfernsehen oder auf einem Computer gerade Stings Englishman in New York gespielt wird. Letztens erst war ich auf einer Jam-Session in einer Kneipe in Schwäbisch Gmünd, und zu fortgerückter Stunde fanden sich da einige verkannte Instrumentalvirtuosen zusammen, und als dann dieses Lied herausgeholt und verarztet wurde, hatte ich vermutlich eine kleine Träne im rechten Augenwinkel. Nicht, dass ich Brite, oder in New York situiert wäre. Aber dieser Refrain lässt mich so sentimental werden, wie wahrscheinlich nicht mal eine Wiederholung der Sterbeszene von Bambis Mutter, während der ich melancholisch und völlig betrunken einer meiner verflossenen Freundinnen hinterherweine. "I'm an Alien, I'm an Englishman in New York...!" *schluchz*
Und letztens habe ich realisiert, warum. Ich vermisse meine Heimatstadt. Ich vermisse Oldenburg. Ich habe gottverdammtes Heimweh. Und wer ist dran schuld? Die Süddeutschen natürlich. Seit numehr dreieinhalb Jahren studiere ich in einer grünen Oase im ehemalig zweitschwärzesten Bundesland dieser Bananenrepublik. Tübingen, lange Zeit eine der wenigen deutschen Städte mit einem Oberbürgermeister, der zwar dauerhaft einen blauen Anzug trägt, in der Innentasche aber ein grünes Parteibuch stecken hat. Knapp 25.000 Studenten bei etwa 90.000 Einwohnern sorgen für den geringsten Altersdurchschnitt unter allen deutschen Städten, so oder so ähnlich rühmt man sich im Internet. Und es ist ja wirklich nicht alles so schlecht wie im restlichen Ländle hier. Dadurch, dass es hier so viele Studenten gibt, hat die Stadt einen eher unschwäbischen Flavor, zumindest oberflächlich.
Aber unter dieser internationalen, grünen, freundlichen Oberfläche kocht und brodelt der schwäbisch-eigenbrötlerische Wutbürger im eigenen Saft. Und wenn man mich fragt, könnten die sich von unserer schönen Huntestadt hier noch 'ne Menge abschneiden. Vor allem die Idee, die Stadt in einem Talkessel zu gründen, in dem sich im Sommer die Hitze staut, und aus dem im Winter die Kälte nicht rauszukriegen ist, war eine stadtplanerische Meisterleistung, die damals im Mittelalter vollbracht worden ist. Sicher, man hat hier schöne Berghänge, um Wein anzubauen, aber vor lauter pompösen Studentenverbindungshäusern auf dem zentral gelegenen Österberg kommt es gar nicht dazu. Apropros Studentenverbindungen: Die Uni hier wurde schon 1477 gegründet, wenn man den Geschichten glauben darf, die Leute, die das von der Bartlänge her noch miterlebt haben könnten, in schummrigen Eckkneipen in der Altstadt erzählen. Und von daher ist hier ziemlich viel ganz schön traditionsbehaftet, was mit der Uni zu tun hat. So gibt es einen traditionellen Aufmarsch der studentisch bemützten Verbindungsvertreter, der der NSDAP und dem Ku-Klux-Klan in nichts nachsteht, wenn man den Veranstaltungsgegnern Glauben schenkt. Ich war ja während der ersten 9 Monate selbst Mitglied in einer dieser Verbindungen, und habe mich dann entschlossen, dass das alles irgendwie zu traditionsbelastet und kurz gedacht ist, was dort unter dem Banner der Kameradschaft, Treue, Vaterlandsliebe und ähnlichen Dingen geschieht(hauptsächlich werden unfassbare Mengen Bier getrunken, und ein bisschen klug und ein bisschen rechts dahergeredet), und habe von daher eventuell noch mehr dazu zu sagen, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Nur soviel, um das Thema abzuschließen: Sowas kannte ich aus Oldenburg nicht. Eine schnelle Recherche ergab, dass es an der Universität Oldenburg eine inaktive Studentenverbindung gibt, was bedeutet, dass die Mitglieder es nicht geschafft haben, aktuelle Studenten für ihr Konzept, wie auch immer das im Einzelnen aussieht, zu begeistern. Außerdem gibt es zwei Schülerverbindungen in unserer Stadt, die sich hartnäckig am AGO halten, aber auch von den meisten Menschen nicht wirklich ernst genommen werden.
Nachdem ich also den konservativen Sumpf dieser eigentlich doch als studentisch-linksrevolutionär vermuteten Stadt von innen kennengelernt hatte, dachte ich, könnte es nicht viel schlimmer werden. Ich zog um in ein privates Studentenwohnheim, das in einem ehemaligen Hotel im Obergeschoss eines Hähnchen-Restaurantss am nordöstlichen Stadtrand von Tübingen situiert ist. Da in Tübingen normalerweise Wohnungen von der Größe und Wetterfestigkeit eines laminierten Schuhkartons mit "Klo und Dusche schräg übern Flur" für knapp 350 Euro vermietet und von verzweifelten Studenten abgenommen werden, fühlte ich mich gleich, als ich in meine etwa 26 (im Mietvertrag steht 28, aber die schummeln doch bestimmt) Quadratmeter für schlappe 290 Euro im Monat einzog, als hätte ich das große Los gezogen. Und dann schaute ich aus dem Fenster. Hui, das ist aber hoch! In meiner Zeit in Oldenburg hatte ich zwar auch schon mal im Dachgeschoss eines standardisierten Reihenhauses(von-Finckh-Straße) gewohnt, aber die Entfernung zur Straße aus dem dritten Stock in dieser Wohnung kam mir vor wie der Blick von der Hunte-Autobahnbrücke. Ich vermute, dass das der im Durchschnitt eher niedrigen Bebauungshöhe in Oldenburg geschuldet ist, und die Tatsache, dass ich als Einjähriger vor dem Umzug wohl nicht allzuoft vom Balkon unserer damaligen Wohnung im vierten Stock eines Hauses in der Adlerstraße geschaut habe, und wenn doch, mich nicht allzugut daran erinnern kann.
Und auch wenn die Behausung hoch gelegen und die Mitbewohner toll sind (die und einige Freunde, die ich hier tatsächlich gefunden habe, sind das Einzige, was ich wirklich vermissen werde, wenn ich wieder zurück nach Oldenburg gehe) - will es mir in der Stadt immer noch nicht so gern und gut gefallen. Warum, das kann man in der anderen Version dieses Textes auf dem Oldenburger Lokalteil nachlesen.
Unabhängig davon: "Be yourself, no matter what they say!" Und ich bin eben Oldenburger. Im Exil.
Hallo. Ich gehöre ja zu den Menschen, denen es kalt den Rücken runterläuft, wenn irgendwo im Radio, im Musikfernsehen oder auf einem Computer gerade Stings Englishman in New York gespielt wird. Letztens erst war ich auf einer Jam-Session in einer Kneipe in Schwäbisch Gmünd, und zu fortgerückter Stunde fanden sich da einige verkannte Instrumentalvirtuosen zusammen, und als dann dieses Lied herausgeholt und verarztet wurde, hatte ich vermutlich eine kleine Träne im rechten Augenwinkel. Nicht, dass ich Brite, oder in New York situiert wäre. Aber dieser Refrain lässt mich so sentimental werden, wie wahrscheinlich nicht mal eine Wiederholung der Sterbeszene von Bambis Mutter, während der ich melancholisch und völlig betrunken einer meiner verflossenen Freundinnen hinterherweine. "I'm an Alien, I'm an Englishman in New York...!" *schluchz*
Und letztens habe ich realisiert, warum. Ich vermisse meine Heimatstadt. Ich vermisse Oldenburg. Ich habe gottverdammtes Heimweh. Und wer ist dran schuld? Die Süddeutschen natürlich. Seit numehr dreieinhalb Jahren studiere ich in einer grünen Oase im ehemalig zweitschwärzesten Bundesland dieser Bananenrepublik. Tübingen, lange Zeit eine der wenigen deutschen Städte mit einem Oberbürgermeister, der zwar dauerhaft einen blauen Anzug trägt, in der Innentasche aber ein grünes Parteibuch stecken hat. Knapp 25.000 Studenten bei etwa 90.000 Einwohnern sorgen für den geringsten Altersdurchschnitt unter allen deutschen Städten, so oder so ähnlich rühmt man sich im Internet. Und es ist ja wirklich nicht alles so schlecht wie im restlichen Ländle hier. Dadurch, dass es hier so viele Studenten gibt, hat die Stadt einen eher unschwäbischen Flavor, zumindest oberflächlich.
Aber unter dieser internationalen, grünen, freundlichen Oberfläche kocht und brodelt der schwäbisch-eigenbrötlerische Wutbürger im eigenen Saft. Und wenn man mich fragt, könnten die sich von unserer schönen Huntestadt hier noch 'ne Menge abschneiden. Vor allem die Idee, die Stadt in einem Talkessel zu gründen, in dem sich im Sommer die Hitze staut, und aus dem im Winter die Kälte nicht rauszukriegen ist, war eine stadtplanerische Meisterleistung, die damals im Mittelalter vollbracht worden ist. Sicher, man hat hier schöne Berghänge, um Wein anzubauen, aber vor lauter pompösen Studentenverbindungshäusern auf dem zentral gelegenen Österberg kommt es gar nicht dazu. Apropros Studentenverbindungen: Die Uni hier wurde schon 1477 gegründet, wenn man den Geschichten glauben darf, die Leute, die das von der Bartlänge her noch miterlebt haben könnten, in schummrigen Eckkneipen in der Altstadt erzählen. Und von daher ist hier ziemlich viel ganz schön traditionsbehaftet, was mit der Uni zu tun hat. So gibt es einen traditionellen Aufmarsch der studentisch bemützten Verbindungsvertreter, der der NSDAP und dem Ku-Klux-Klan in nichts nachsteht, wenn man den Veranstaltungsgegnern Glauben schenkt. Ich war ja während der ersten 9 Monate selbst Mitglied in einer dieser Verbindungen, und habe mich dann entschlossen, dass das alles irgendwie zu traditionsbelastet und kurz gedacht ist, was dort unter dem Banner der Kameradschaft, Treue, Vaterlandsliebe und ähnlichen Dingen geschieht(hauptsächlich werden unfassbare Mengen Bier getrunken, und ein bisschen klug und ein bisschen rechts dahergeredet), und habe von daher eventuell noch mehr dazu zu sagen, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Nur soviel, um das Thema abzuschließen: Sowas kannte ich aus Oldenburg nicht. Eine schnelle Recherche ergab, dass es an der Universität Oldenburg eine inaktive Studentenverbindung gibt, was bedeutet, dass die Mitglieder es nicht geschafft haben, aktuelle Studenten für ihr Konzept, wie auch immer das im Einzelnen aussieht, zu begeistern. Außerdem gibt es zwei Schülerverbindungen in unserer Stadt, die sich hartnäckig am AGO halten, aber auch von den meisten Menschen nicht wirklich ernst genommen werden.
Nachdem ich also den konservativen Sumpf dieser eigentlich doch als studentisch-linksrevolutionär vermuteten Stadt von innen kennengelernt hatte, dachte ich, könnte es nicht viel schlimmer werden. Ich zog um in ein privates Studentenwohnheim, das in einem ehemaligen Hotel im Obergeschoss eines Hähnchen-Restaurantss am nordöstlichen Stadtrand von Tübingen situiert ist. Da in Tübingen normalerweise Wohnungen von der Größe und Wetterfestigkeit eines laminierten Schuhkartons mit "Klo und Dusche schräg übern Flur" für knapp 350 Euro vermietet und von verzweifelten Studenten abgenommen werden, fühlte ich mich gleich, als ich in meine etwa 26 (im Mietvertrag steht 28, aber die schummeln doch bestimmt) Quadratmeter für schlappe 290 Euro im Monat einzog, als hätte ich das große Los gezogen. Und dann schaute ich aus dem Fenster. Hui, das ist aber hoch! In meiner Zeit in Oldenburg hatte ich zwar auch schon mal im Dachgeschoss eines standardisierten Reihenhauses(von-Finckh-Straße) gewohnt, aber die Entfernung zur Straße aus dem dritten Stock in dieser Wohnung kam mir vor wie der Blick von der Hunte-Autobahnbrücke. Ich vermute, dass das der im Durchschnitt eher niedrigen Bebauungshöhe in Oldenburg geschuldet ist, und die Tatsache, dass ich als Einjähriger vor dem Umzug wohl nicht allzuoft vom Balkon unserer damaligen Wohnung im vierten Stock eines Hauses in der Adlerstraße geschaut habe, und wenn doch, mich nicht allzugut daran erinnern kann.
Und auch wenn die Behausung hoch gelegen und die Mitbewohner toll sind (die und einige Freunde, die ich hier tatsächlich gefunden habe, sind das Einzige, was ich wirklich vermissen werde, wenn ich wieder zurück nach Oldenburg gehe) - will es mir in der Stadt immer noch nicht so gern und gut gefallen. Warum, das kann man in der anderen Version dieses Textes auf dem Oldenburger Lokalteil nachlesen.
Unabhängig davon: "Be yourself, no matter what they say!" Und ich bin eben Oldenburger. Im Exil.
Semtext - 7. Aug, 17:31
1 Kommentar - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
geschenkefuermaenner.info (Gast) - 18. Apr, 03:26
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