31
Aug
2008

Und noch was altes...

Kings Of Leon - Aha Shake Heartbreak


Eines vorab: Diese Platte hat mich total in ihren Bann gezogen. Eine objektive Bewertung ist daher nicht in vollem Umfang möglich. Ich werde aber so sachlich wie möglich bleiben, und überflüssige Adjektive vermeiden.

Himmelkreuzdonner! Da taucht mein verwuschelter Indierockkumpel letztens mal mit der üblichen Sieht-aus-wie-14-Tage-Siff-ist-aber-in-Wirklichkeit-heute-morgen-gewaschen-Frisur bei mir vor der Tür auf und grinst wie ein Model aus der Zahnpastawerbung(gut, die verwaschenen Levi's passen nicht dazu, und die erwähnte Frisur ist sowieso voll für'n Arsch, aber er ist eben abgesehen davon mein bester Kumpel). Naja, der Grund, warum er so grinst, ist erstens plakativ auf seinem T-Shirt abgedruckt, und befindet sich zweitens in seiner Hand. Eine CD-Hülle. Auf beiden prangt das selbe Motiv, eine Orchidee auf weißem Grund. "Okay, er hört jetzt Entspannungsmusik. Kein Grund zum Durchdrehen." sage ich mir im ersten Moment, aber nachdem er die Scheibe dann in den CD-Player in der Küche geworfen hat und wir es uns erst einmal bei einer Kanne schwarzem Kaffee und einigen Aspirin gemütlich machen(es ist schließlich noch früh am Morgen, so zirka 14 Uhr), schallt da also dieses "Etwas" durch meine Gehörgänge. Ich glaube, das Aspirin hat meine auditiven Rezeptoren beeinflusst, es mißfällt mir gar nicht so sehr, was ich da höre. So kam ich überhaupt in den zweifelhaften Genuss, diese Platte kritisieren zu dürfen.

Genug des Geplänkels - ich bin Fan geworden.

Die Scheibe aus dem letzten Jahr(ich meine, man nannte es 2004) knüpft angeblich (laut www.laut.de) in keinster Weise an das Vorgängeralbum von 2003 an. Aber muss das sein? Egal. Wenn das Vorgängeralbum noch rockiger gewesen sein soll...wieso...ach, egal.

Slow Night, So Long. Klingt irgendwie langweilig, alleine wenn man es schon liest. Tja, und damit wären wir auch schon beim Grundgegensatz angekommen, der die Kings Of Leon verhärteten Metallern neben der gewöhnungsbedürftigen Stimme des Frontmannes richtig vermiesen dürfte. Wie eingangs bemerkt, es ist definitiv keine Musik zum Abgehen, eher was, was man sogar beim Abendessen mit Mama und Papa(vorausgesetzt diese sind jünger als 65) hören kann, und das ganze ein wenig moderner aufgepeppt. Der Opener zeigt auf 3:54 Minuten die ganze Palette der Kings-Fertigkeiten. Grandiose und auch energiegeladene Instrumentalparts wechseln sich mit - wie schon erwähnt - gewöhnungsbedürftigen Gesangspassagen vor weniger treibender, von Sixties/Seventies-Gitarren dominierter Rockmusik ab. Und ganz am Ende kommt dann wieder eine ruhige Phase, die das Gutenachtlied wunderschön abschließt. Wegen Eingewöhnungsfaktor: (****/*****)
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Das darauffolgende, nur fast halb so lange Stück King of the Rodeo bringt in den 2:25, die viel länger im Ohr nachklingen, tanzbare, gut produzierte Studioklänge, und auch der Gesang ist nicht so verquietscht wie beim ersten Stück. Insgesamt durchweg gut, und die hier dominierende erste Gitarre spielt abwechselnd zwei sehr im Ohr klebende Parts, die auch nach einstündiger Wiederholung immer noch interessant klingen(Erkenntnis aus Selbstversuch . Trotzdem fehlt immer noch das gewisse Etwas, was dieses Stück auf die 5-Punkte-Ebene katapultiert. (****/*****)
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Der inoffizielle Titeltrack des Albums, zumindest kommt der Titel des Albums im Songtext vor, ist eine eher dahinplätschernde garage-angerockte Variante von...Jet, um es zu kategorisieren. Taper Jean Girl hat durchaus Radiohitchrakter, allerdings wird es erst zum Ende hin Kings-typisch energiegeladen, und die zwei eher langweiligen Minuten vorher werden davon nicht komplett ausgeglichen. (***/*****)
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Herzlich willkommen im Land der Lieder knapp über zwei Minuten. Nein, wir reden hier nicht von Linkin Park, deren Alben auch immer ähnlich kurz sind. Bei denen merkt man das nämlich. Die Kings Of Leon verstehen es meisterlich, Material für ein 5-Minuten-Lied in einem Song zu verpacken, der manchmal sogar weniger als die Hälfte dieser Zeit braucht, und - steinigt mich - aber es fällt einfach nicht auf, dass die Tracks so verdammt kurz sind! So auch beim 2:20 langen, wiederum gut tanzbaren Pistol of Fire. Und dieses Stück knackt die 5-Punkte-Grenze. Aufgrund oben genannter harter Fakten, nämlich illusionistischer Meisterleistung von doppelt soviel Musik in der Hälfte der Zeit. (*****/*****)
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Als nächstes präsentiert die Kapelle einen ihrer eigenwilligsten Songs. Milk ist erstens vier Minuten lang, und damit der längste Track auf dem gesamten Album, zweitens drücken sich hier brilliant gesetzte ruhige Phasen mit unter die Haut gehendem Gesang, auch wenn man beim ersten Hören den Text leicht mit Hundegejaule verwechseln könnte mit dynamischen Instrumentalpassagen die Klinke in die Hand. Dass dieses Lied sich irgendwie kürzer anhört als die 2:20er vorher, liegt an den langen Ruhephasen zwischendurch. Trotzdem erhalten die Kings of Leon hierfür fünf Sterne, da sie sich auf eher unbekanntem Terrain, nämlich guter, und doch nicht wirklich zum Tanzen geeigneter Musik, die trotzdem immer noch Rock'n'Roll ist, beachtlich schlagen. (*****/*****)
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Ein sehr an die Beatles erinnernder Gitarren-Auftakt, der dann von Kings-typischen Drums und Bässen ergänzt wird, macht direkt beim ersten Hören Lust auf mehr. Mittlerweile hat man sich auch an den schrecklichen Akzent des Sängers gewöhnt, und versteht auf Anhieb etwas vom Text, wenn man die Scheibe brav der Reihe nach durchgehört hat. Und auch hier zeigen sich die Stärken der Band ganz klar. Hypnotisierend einfache, und doch geniale Gitarrenriffs bzw. Bassläufe und dazu die außergewöhnliche Stimme des Frontmannes über sehr dezent in den Hintergrund gemischte Drums, die dem ganzen aber keinen Abbruch tun, sich im Gegenteil perfekt einfügen. Eingängig, Glieder zucken lassend, vermittelt Bucket den jugendlich-unanständigen Wunsch, dass die Partnerin die Brüste auf dem Rücken haben sollte, zumindest auf dem Tanzparkett. 5 Sterne. (*****/*****)
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Soft ist wiederum Rock'n'Roll wie ihn Elvis geliebt hätte. Da stehen selbst die Beatles Spalier, wenn die vier jungen Amerikaner von den Kings Of Leon hier wie Altmeister der Saalunterhaltungsmusik auftrumpfen. Und das mit durchaus pornographischem Text, den man ja zum Glück nicht verstehen muss. Ohne Widerrede: (*****/*****)
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Der nächste Titel ist wiederum einer, der viel länger klingt, als er ist. 2:15 zum Teil sogar nach Ska klingende Gitarrenrhytmen machen viel Spaß beim Hören und stören in dieser Form nur sehr empfindliche Mamas und Papas beim Abendessen. Razz zeigt, dass die Symbiose zwischen 60's und heute eindrucksvoll gelungen ist, dafür gibt es fünf Sternchen, unterstützt von Bob Marleys Gitarrist.(*****/*****)
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Auf dem Schnapszahl-Track Nr. 9 (Länge 3:33 Minuten, wer erkennt die tolle Quersumme zuerst?) wird dann eine ganz andere Tonart angeschlagen. Day Old Blue ist so, wie er heißt, die ersten achtzig Sekunden lang noch traurig, und dann fällt plötzlich ein, dass das ja irgendwie doch nur von gestern war, und es darf fast bajuwarisch gejodelt werden. Dann kehrt die Traurigkeit zurück, aber was wäre ein Album einer Rock('n'Roll) Band ohne ein Lied bei dem die lange zurückgehaltenen Tränchen kullern dürfen? Nun ja, dieses hier ist eins von der Sorte, auch wenn es zum Ende hin dann ins verzweifelt fröhlich-Halbagressive abrutscht. (****/*****)
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Four Kicks ist (Überraschung!) zwei Minuten und neun Sekunden lang, rockt aber auch wie eine Eins und so ist der kürzeste Track auf der Platte noch lange nicht zu kurz. Dazu kann man sogar, wenn man nicht zu legalen Rauschmitteln wie Jack Daniels und Konsorten gegriffen hat, im Instrumentalpart richtig gut abgehen. Das Ende lässt den Gesang allerdings in der Luft stehen, da hätte ein weiterer rockig-psychedelischer Instrumentalpart mehr genutzt als geschadet. (***/*****)
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Direkt danach präsentiert man dem Zuhörer den zweitkürzesten Track der Langspielplatte, und dieser ist nur zwei Sekunden länger als der vorige. Trotzdem kommt dieser bisweilen countryartige Teil der musikalische Abendunterhaltung namens Velvet Snow sehr stimmungsvoll daher, und rockt auch noch länger als die angegebene Spieldauer durch das Innenohr des Hörers. Wie bei King of the Rodeo fehlt jedoch das gewisse Etwas. (****/*****)
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So, und nun sind wir ganz tief unten. Rememo ist wahrscheinlich der langsamste Song auf diesem Album, und wenn man ihn anhört, kommt er einem wie das langsamste Lied der Welt vor. Von Vorteil ist dies insofern, als dass man wirklich mal Augenmerk auf den Text legen kann. Und auch das halb karibisch anmutende Gitarrensolo kann die triste Stimmung nicht verscheuchen, was aber nicht negativ zu sehen ist, im Gegenteil: Dieses Lied ist dafür da, wenn man sich richtig mies fühlt und es gerne hätte, dass es noch eine Zeit lang so bleibt. Dann ist dieses Lied ideal und erntet 5 Punkte. Anzumerken ist, dass es mit 3:22 weit über der ansonsten normalen Durchschnittslänge bleibt. (*****/*****)
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Das letzte Lied eines Tonträgers ist ja meist als ein gesungenes "Good-bye, until next time" an die kaufenden Fans zu verstehen, und auch Where Nobody Knows macht da keine Ausnahme. Glaubt man. Wenn man dem Text den man meint zu hören, glauben mag, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Anscheinend geht es hier darum, eine irgendwie nervige Freundin loszuwerden: "I'll be droppin you where nobody knows." Und das vor einem so verspielt-fröhlichen Akkordkonstrukt. Wahnsinnig (im doppelten Sinne) schizophren cool. Also, das Lied, nicht die Handlung, und trotz ihrer ist das Ganze ein toller Abschiedstrack, und man meint, dass nach etwas über 37 Minuten Gesamtspielzeit mehr als eine Stunde vergangen ist. (****/*****) Dieser letzte ist übrigens ein Bonustrack, also nicht wundern, wenn den nicht jeder auf seinem Silberling findet.

Fazit: Rein rechnerisch kommen die Kings auf 4,31 Sternchen, aber weil der Gesamteindruck einfach geil und nicht störend kurz ist, wie die eigentliche Gesamtlänge vermitteln mag, bin ich gnädig und pack da noch eine Forelle mit bei: +0,2 Sterne für Gesamteindruck. Und damit sind wir bei 4,51 und das bedeutet, streng nach Adam Riese aufgerundet: 5 verdammte Sterne!

Kaufen. Hören. Fliegen.

Außer eines oder mehrere von folgenden Merkmalen trifft (treffen) auf sie/dich zu:

Engstirnigkeit
Unlust zur Freude
Kein Spaß an Rock'n'Roll
Metallica-Fan
Nirvana-Fan
Laktoveganer
Nichtraucher
Skinhead

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Semtext's Selbstdarstellung

Raps und Reflektionen, Gedanken und Spinnereien...

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Was nicht wert ist, gesagt zu werden, das singt man. (Pierre Augustin Baron de Beaumarchais, frz. Bühnenschriftsteller, 1732-1799)

Das hier ist schlicht, was die Überschrift sagt. Eine Selbstdarstellung. Manche würden sagen öffentliches Tagebuch im lockeren Wochenrythmus, andere wiederum Textsammlung. Mittlerweile auch Rezeptsammlung für Cocktails. Wasauchimmer.

Es ist und bleibt die Selbstdarstellung eines Hobby-Rappers, Poetry Slammers und freiberuflichen Journalisten aus Oldenburg, der von ganz mittig nach ganz oben will. Mit explosiven Texten, die wie Bomben in den Frieden fetzen. Hatte ich mal gedacht. Deswegen der Name Semtext. Wer's nicht kapiert, bitte einfach mal "Semtex" bei Wikipedia oder im Brockhaus nachschlagen.
Man kann von mir mittlerweile auch Texte korrekturlesen lassen.

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