24
Feb
2009

Fußballfieber

Notizen aus dem fußballerischen Exil
Heute: Jonathan Blum(Schalke 04-Fan in Tübingen)

Vielleicht war es ja gut, sich nicht so sehr damit beschäftigt zu haben. Vielleicht auch nicht, kommt auf den Standpunkt an. Im der Retrospektive betrachtet, kann ich sagen, dass das letzte Fußballwochenende bei mir in keiner Hinsicht einen besonderen Eindruck hinterlassen hat. Und das, obwohl das Derby auf Schalke nahezu unter den brisantesten Vorzeichen seit der Gründung des schwarzgelben Rivalenvereins 1909 stattfand. Beide Teams stehen mit hohen und nicht erfüllten Erwartungen seit einiger Zeit im Tabellenmittelfeld, mit einem grausam verpfiffenen Hinspiel im Hinterkopf, hier einem Manager auf der Anklagebank, und dort einem Trainer, der wegen schwerem Verletzungspech nicht das Optimum aus dem prinzipiell guten Kader herausholen konnte. Soviel zur Ausgangslage.

Nun heißt es Position beziehen: Entweder ist man infiziert, und fiebert dem Spiel schon seit dem Abpfiff des letzten Derbys entgegen, oder man ist kein Unterstützer von einer der beiden Mannschaften. Oder man ist, wie ich, zwar Fan, aber schafft es, zum ersten Mal in 15 Jahren einfach zu vergessen, dass das Spiel abweichend von der Tradition schon am Freitagabend terminiert ist, statt wie üblich, Samstag, halb vier.

Und deswegen: Ist es nun schlimm, ein sicherlich höchst dramatisches Spiel verpasst zu haben? Das äußerst spektakuläre Seitfallziehertor vom schon lange totgesagten Kevin Kuranyi, der jetzt (inklusive einem Testspiel) in drei Spielen hintereinander insgesamt vier Tore erzielt hat? Die hässliche Grätsche von Kevin-Prince Boateng gegen Mladen Krstajic? Den späten (und wahrscheinlich sogar verdienten) Ausgleich durch Mohammed Zidan? Ein im Endeffekt ernüchterndes 1:1, das keinen der Konkurrenten auch nur einen Schritt weiter bringt?

Einiges davon verpasst zu haben, ist sicher schade. Es nicht gesehen zu haben, hilft aber auch, den Kreislauf auf einem vernünftigen Niveau zu halten. Schlimm ist aber nichts daran. Viel drückender ist aber die Frage: Hat es sich schon ausgefiebert?

Ist Fußball mir, nach 15 Jahren im wechselnden Exil als Schalkefan, nie nahe der Basis, und in der aktuellen nicht wirklich erheiternden Situation, vielleicht sogar gleichgültig geworden? Beim UEFA-Cup-Match zwischen Werder Bremen und dem AC Mailand wollte ich es schon nicht glauben, als mein Körper zur Halbzeit die Fernbedienung nahm, den roten Knopf drückte, und sich danach ins Bett verfrachtete. Aber als ich daraufhin dann den exakten Termin des Derbies vergaß, wurde mir einiges klar. Man ist eben keine elf Jahre mehr alt. Damals führte die bloße Erwähnung eines Spielergebnisses noch zu hitzigen Diskussionen auf dem Schulhof. Und auch wenn das gar nicht so lange her ist, fühle ich mich alt, schlimmer noch, resigniert, wenn ich darüber nachdenke. Sollte man sich die kindliche Begeisterung für den Fußball nicht unabhängig vom Ergebnis erhalten können?

Schließlich bin ich als Achtjähriger doch auch bei einer Auswärtsniederlage wirklich Fan der Königsblauen geworden. Und konnte gar nicht verstehen, warum die Erwachsenen um mich herum alle so verbittert waren, die Schalker hatten doch toll gekämpft, und die anderen waren einfach ein bisschen besser gewesen.

Im Sinne der Stimmung in den Stadien: Wer verbittert ist, sollte bitte nicht hingehen. Wer will, dass Manager, Trainer oder Spieler seines Vereins rausgeworfen werden sollen, der kann doch einen offenen Brief schreiben, anstatt Hassgesänge gegen die eigene Truppe anzuzetteln. Und wer am Stadion nicht eidesstattlich versichert, dass nichts kaputtgeschlagen wird, egal, wie das Spiel ausgeht, dem sollte die Eintrittskarte entzogen werden.

Nicht das vielzitierte Geld, sondern der unnötig zur Schau gestellte Unmut, macht unseren Sport kaputt. Noch ist offen, ob es mich nächstes Wochenende wieder in meine kleine Tübinger Sportkneipe verschlägt, um die Bundesliga zu gucken, um eben diesen Unmut gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Das Fußballfieber hat vielleicht nachgelassen. Ganz abklingen wird es hoffentlich nie.

Aus dem Exil: Glück auf!
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Semtext's Selbstdarstellung

Raps und Reflektionen, Gedanken und Spinnereien...

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Was nicht wert ist, gesagt zu werden, das singt man. (Pierre Augustin Baron de Beaumarchais, frz. Bühnenschriftsteller, 1732-1799)

Das hier ist schlicht, was die Überschrift sagt. Eine Selbstdarstellung. Manche würden sagen öffentliches Tagebuch im lockeren Wochenrythmus, andere wiederum Textsammlung. Mittlerweile auch Rezeptsammlung für Cocktails. Wasauchimmer.

Es ist und bleibt die Selbstdarstellung eines Hobby-Rappers, Poetry Slammers und freiberuflichen Journalisten aus Oldenburg, der von ganz mittig nach ganz oben will. Mit explosiven Texten, die wie Bomben in den Frieden fetzen. Hatte ich mal gedacht. Deswegen der Name Semtext. Wer's nicht kapiert, bitte einfach mal "Semtex" bei Wikipedia oder im Brockhaus nachschlagen.
Man kann von mir mittlerweile auch Texte korrekturlesen lassen.

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